Donnerstag, 25. Oktober 2012

Das Lavalierset als Gitarrensender: Line 6 XD-V35L

Ich bin kein Typ für Kabel. Meine beste technische Fähigkeit ist es, auf das herunterhängende Kabel draufzutreten. Um so verursachtem Schäden vorzubeugen, bin ich schon früh auf einen Sender umgestiegen (und natürlich, weil es cooler ist während der Show und man sich nicht mit den Kabeln der anderen verwickelt). Allerdings war es das billigste Modell der Thomann Hausmarke - das hat seinen Zweck zwar erfüllt, aber gerade in letzter Zeit war ich damit nicht mehr so glücklich. Entweder hat es bei lauten Tönen verzerrt, oder der Gain am Sender war so gering, dass das Gesamtsystem stark gerauscht hat.
Ich habe schon lange mit den digitalen Funksystemen von Line 6 geliebäugelt, im speziellen mit dem Relay G30. Aber das fand ich für ein Einstiegsgerät mit knapp 300 Euro ganz schön teuer.
Neulich war beim Pariser Händler Woodbrass Schlussverkauf. Die Werbung von Woodbrass bekomme ich, seit ich dort meinen Roland Batterie-Bassverstärker gekauft habe. Da hab ich einfach mal nach "Line 6" gesucht und stieß auf das XD-V35L. Eine Funke mit Lavaliermikrofon. Das Gehäuse ist ein simples Tischgehäuse und der Sender sieht komischerweise genauso aus wie beim Relay 30 - er trägt im Kleingedruckten sogar den gleichen Namen "TBP06". Fehlt nur noch das Kabel, und kurzes Klinke auf Klinke kostete ja nicht die Welt. Auch beim G30 soll man ja angeblich das mitgelieferte Kabel gleich wegen der miesen Qualität wechseln. Und das Beste: Im Schlussverkauf bei Woodbrass für 210 Euro im Angebot, also fast ein Drittel billiger als ein G30. Auch der normale Straßenpreis ist deutlich günstiger als das G30. Und das einzige Feature, welches fehlt, ist die Simulation der Kabellänge, worauf ich gut verzichten kann und was in den meisten Tests auch als Schnickschnack abgetan wurde. Und der Empfänger hat ein anderes Gehäuse.
So weit so gut - Auspacken: Das Gerät macht so weit einen soliden Eindruck, so weit hält ein Kunststoff-Gehäuse diesen Eindruck macht. Die Bedienelemente sind überschaubar: Ein Schiebeschalter (Sender) bzw. ein Drehregler, mit dem die sechs möglichen Frequenzen eingestellt werden sowie ein Einschalter am Sender. Am Sender sind außerdem zwei LEDs für den Betriebszustand sowie die verbleibende Batterie-Kapazität. Am Empfänger zwei dreiteilige LED-Ketten für Signal-Stärke und Batteriezustand. Toll, das Ding kommuniziert sogar bidirektional. Außerdem LEDs für Verbindung und eingehende Daten. Ansonsten nichts, kein Levelregler, und das ist auch gut so. Außerdem ist ein kleines Ansteckmikrofon dabei, welches ein Kabel mit Stereoklinkenstecker hat - damit wird das Kondensator-Mikrofon mit Strom versorgt.
Also, Empfänger auf den Amp gestellt, kurzes Klinkenkabel zum Instrumenten-Eingang. Der Empfänger hat auch einen symmetrischen XLR-Ausgang, den ich aber noch nicht benutzt habe. Sender am Bass einstöpseln, gleiche Kanäle einstellen und los geht's. Ich ändere am Amp ein wenig die Gain-Einstellung, ansonsten passt das Setup sofort. Keine Verzerrungen bei hartem Anschlag. Ok, ich spiele passive Bässe, ich weiß also nicht, wie das funktioniert mit dem aktiven Bass mit 18-Volt Elektronik.
Funktionieren tut es also. Und wie klingt es? Für meine Bedürfnisse hervorragend. Das komplette Signal ist da, von der tiefen H-Saite bis zu den glitzernden Brillianzen. Der Sound ist nach meinem Eindruck völlig klar, eben eine direkte digitale Übertragung. Ich habe zwar irgendwo gelesen, der Lavalier-Sender hätte einen Bass-Cut, kann dies aber nicht nachvollziehen.
Fazit: Eine tolle und vergleichsweise günstige Alternative zu analoge Funksystemen, aber gerade auch dem Line 6 Relay G30.
Nur zwei Dinge noch: Warum wird eigentlich das Vorgängermodell XD-V30L teurer gehandelt als das hier vorgestellte? Unter der Haube ist die neue Serie schön weiterentwickelt worden, vor allem in Bezug auf die Empfangsstabilität? Und wann bringt Line 6 endlich digitales In-Ear Monitoring in diesem Preissegment?