Mittwoch, 23. Mai 2012

Peter, der Drache und die anderen Musiker

Dies ist die Fortsetzung von Peter und der Drache. Wir bewegen uns immer noch im schönen Jahr 1994, ich bin immer noch ein junger Hüpfer von knappen 20 Jahren und ich mache immer noch meine Hospitanz bei der Musical-Produktion "Tabaluga und Lilli". Der erste Profi-Musiker den ich dort kennen lernte, war der Gitarrist Carl Carlton. Carl spielte bei der Produktion nicht in der Band mit, sondern war "nur" als Musical Director engagiert. Daher kam er relativ früh am Set an - der Rest der Band war nur für die letzten zwei Wochen der Probenarbeit dabei. Carl kam schon am ersten Tag als coole Socke rein. Er ist ja auch so eine lange, schlaksige mehr-als-zwei-Meter-Gestalt und trug dazu noch ein cooles braunes, sehr klassisches und lang geschnittenes Sakko - fast ein barocker Ausgeh-Rock. Kurz: Er kann Kleidung tragen, die mich kleinen Moppel eher entstellen würde.
Der Beweis aus dem Tabaluga & Lilli-Programmheft: Links unten mein Name



Die Band
Die beste persönliche Verbindung hatte Carl in der Zeit offensichtlich zum Drummer Betram Engel,ebenfalls so ein langer Lulatsch. Im Musical wurde zum Teil unterteilt zwischen Gesangs- und Sprechstimmen sowie Darstellern. So wurde z.B. Tabaluga von Maffay gesungen, von der Schwester der damaligen Maffay-Freundin gesprochen und von einer Tänzerin gespielt. Einige Singstimmen - von Songs, die auf der CD von Maffay selbst gesungen wurden - standen während der Produktion noch nicht fest; u.a. auch die Rolle des Bösewichts Arktos, der die sehr rockige Nummer "Schlüssel zur Macht" singen sollte. Letztendlich fiel die Wahl auf Betram Engels - sein Drum-Roadie spielte für diesen Song Schlagzeug - und, mit Glatze und schwarz-weiß geschminktem Gesicht hat er die Sache auch richtig gerockt. Generell gefällt mir die Version mit Bertram Engel von der Tournee besser als Maffays CD-Aufnahme und auch deutlich besser als die Musical-Version aus Oberhausen.
An den Keyboards war die Familie Kravetz: Vater Jean-Jaques und Sohn Pascale. Letztere lief immer mit deutlicher Musiker-Attitüde herum, gerne komplett in schwarz mit langem schwarzem Mangel und wallender Mähne angetan. Sein Vater hingegen trat sehr konservativ und normal auf, was sich auch in einem Satz von ihm im Gespräch an der Rezeption des Mannheimer Holiday-Inn wiederspiegelte, welcher mir zugetragen wurde:
"Sehen Sie mich an: Mein Vater war Schreiner. Und jetzt schauen Sie sich meinen Sohn an: Sein Vater ist Musiker!"
Der Gitarren-Soundcheck war ein Erlebnis für sich. Mit dabei: Der relativ junge Andreas Becker, der auch die Hit-Ballade und den Schlüsselsong "Ich fühl wie Du" für das Tabaluga und Lilli-Albumg geschireben hatte. Und der "Godfather of German Blues" Frank Dietz. Der Soundcheck lief folgendermaßen:
"Andreas, Soundcheck!" - Becker tritt zwei Schritte vor, wirft sich in Rockerpose und dudelt mit High-Gain-Sound eine Minute Skalen rauf und runter. Ganz nett, nicht.
"Frank, Soundcheck!" - Dietz bleibt lässig stehen und haut mit erdigem Crunch-Sound drei Akkorde raus. Nicht mehr, aber schon diese drei Chords haben gereicht, um mir wohlige Schauer den Rücken runterzujagen.
Bassist Ken Taylor ist mir weder positiv noch negativ besonders im Gedächtnis geblieben - spricht dafür, dass er genau meinem Ideal gefolgt ist und einfach einen guten soliden Job gemacht hat.

Die Musik
Die älteren Tabaluga-CDs sind doch noch sehr im Schlager verhaftet. Mit diesen Original-Aufnahmen haben die Tänzer die Choreographien einstudiert. Nach vier bis sechs Wochen hatte man sich an die Songs in dieser Art gewöhnt.
Dann kam die Band - etwa zwei Wochen vor der Premiere. Und die Jungs haben vielleicht losgerockt. Ich vermute mal, die Anweisung war: Tempi, Grundrhythmus und Ablauf müssen übereinstimmen, der Rest ist mir schnurz. Die Tänzer standen jedenfalls erst mal da wie vom Donner gerührt. Und mir wurde schlagartig klar, wie müde die alten Studioversionen eigentlich waren.
Es haben sich aber alle relativ schnell in die neue Situation eingefunden, auch die Choreographien waren schnell wieder adaptiert.

Der Chef
Maffay selbst kam mit zwei Bodyguards an: Der eine, ein normaler, unauffälliger, etwas dicklicher Kerl mit Schnurrbart, war der Chef und der eigentlich gemeine Typ, mit dem man sich besser nicht anlegte. Der andere sah umso beeindruckender aus: Ein Kleiderschrank von Mann, bestimmt 2,10 Meter groß und einen Meter Schulterbreite, dazu eine wallende dunkelblonde Mähne, die einem Metal-Sänger zur Ehre gereicht hätte. Allerdings kam dieser Mann in die Maimarkthalle und seine ersten Worte waren:
"Wo gibt es hier was zum Essen?"
Ich kann mich an die Situation gut erinnern, ich saß gerade auf einer der vier "Satelliten-Bühnen" und half bei irgendwas handwerklichem aus. Der gefährliche Eindruck, den der Kollege optisch machte, war mit diesem Satz bei uns natürlich zerstört.
Maffay selbst ist sehr beeindruckend. Seine Bühnenpräsenz ist äußerst hoch: Während der Premiere wollte ich während eines Liedes verstärkt auf die Tänzer im Hintergrund achten, weil ich wusste, dass die Szene in den Proben immer schief gegangen war. Nach dem Lied fiel mir auf, dass ich nur Maffay angestarrt hatte, der mit seiner Persönlichkeit (trotz gefühlter 1,60 Körpergröße) die Bühne komplett beherrscht.
Herrschen ist auch sonst sein Hobby: In der Zusammenarbeit gehört er sicher zu den Kontroll-Freaks, der alle Fäden in der Hand behalten muss. Arbeitstage, die bei Ihm um 8:00 Uhr mit der Besprechung anfingen und um 5:00 Uhr morgens mit der Lichtprobe aufhörten, sind völlig normal gewesen.
Und er hat einen absoluten Hang zum Perfektionismus, den er genauso an sich selbst stellt. In der Probearbeit mit der Band wurde jeden Tag von ihm der Text eines anderen Songs gelernt (ein Teil der Songs stammte ja von den früheren Tabaluga-Alben und war also schon länger nicht mehr von ihm performt worden). Bei der Premiere lag nur noch bei einem Song ein Blatt mit dem Text vor ihm auf dem Boden: Bei der Zugabe "Die Töne sind verklungen".

So sind für mich nach der Premiere auch die Töne verklungen: Das einzige, was mir geblieben ist, sind ein Skript mit zwei Tages-Backstage-Pässen und ein Eintrag im Programm-Heft der Tournee: "Best boy: Klaus-Dieter Schönfeldt"